Die Eröffnungsansprachen zur Konferenz der Straßenkinder und Flüchtlingskinder vom 25.9.2015 in Berlin
5. Ciara

Die Eröffnungsansprachen zur Konferenz der Straßenkinder und Flüchtlingskinder vom 25.9.2015 in Berlin
4. Nhut (Vietnam)

Die Eröffnungsansprachen zur Konferenz der Straßenkinder und Flüchtlingskinder vom 25.9.2015 in Berlin
3. Nasrin (Iran)

Impressionen von der Konferenz

Liebe Leute,
die ihr mit einem oder zwei Beinen auf der Straße lebt, deren Zuhause eine Notschlafstelle ist, oder die im Streetwork auf den Straßen Deutschlands durch Sozialarbeiter erreicht werden: Nachdem wir im September 2014 in Berlin den 1. Bundeskongress der Straßenkinder mit über 120 Beteiligten durchgeführt haben, wodurch einige von euch sogar persönlich mit der Bundesjugendministerin in Berlin zusammengekommen sind, die zukünftig in der Arbeitsgruppe mit Mitarbeitern des Bundesjugendministeriums an Ideen von euch arbeiten wird; andere wiederum in den nächsten Wochen mit Dr. Gysi, dem Fraktionsvorsitzenden der Linken zusammenkommen werden, um die Lage der Straßenkinder in Deutschland zu besprechen – wir wagen es nochmal und lassen die Große Konferenz der Straßenkinder stattfinden, im September 2015, wieder in Berlin! Diesmal wollen wir über 300 Jugendliche aus allen Teilen der Bundesrepublik versammeln, soll die Bundesjugendministerium Manuela Schwesig selbst anwesend sein und sollen viele Prominente unsere Zusammenkunft unterstützen. Und wieder wird es so sein, dass euch Reisebusse von euren Hilfeeinrichtungen nach Berlin bringen werden. Noch haben wir keinen genauen Termin, wissen aber, dass es Mitte September sein wird (ein Freitag und ein Samstag). Wenn du/ihr diese Nachricht lest, dann könnt ihr Folgendes tun: Geht auf die Leitung eurer Einrichtung zu (Not- und Anlaufstelle, Streetworker und andere Sozialarbeiter) und macht sie aufmerksam auf die Große Konferenz der Straßenkinder, im September 2015 in Berlin. Wenn eure Einrichtung Interesse hat mit euch teilzunehmen, soll sie sich bitte, stellvertretend für das Orga-Team von 20 Straßenkindern in Deutschland, an Jennifer Menges (menges@karuna-ev.de; Tel.: 030-40 39 46 28) wenden, um ihr Teilnahmeinteresse zu bekunden.

Bis bald, denn mein Name ist Mensch!

Hier die 15 Diskussionsthemen des WORLD CAFÈS der Konferenz:

Presseerklärung:

Erklärung der Ständigen Vertretung der Straßenkinder

in Deutschland zur Vodafone-Studie 

„Deutschlands vergesse Jugendliche“

Wortlaut

SPIEGEL-Artikel: "Ohne Ausbildung, Wohnung, Hilfe: Deutschlands vergessene Jugendliche"
Link

Erklärung zum Medienecho des Ersten Bundeskongress der Strassenkinder

Ideen- und Forderungskatalog des 1. Bundeskongresses der Straßenkinder an die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Ideen- und Forderungskatalog 

des 1. Bundeskongresses der Straßenkinder

an die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

 

NEHMT UNS WAHR ! HELFT SINNVOLL!

 

Respekt, unbürokratische Unterstützung, Bildungszugang, Chancen auf dem Wohn- und Arbeitsmarkt sowie qualifizierteres Personal bei Behörden, Jugendämtern und Polizei, das die speziellen Sorgen und Nöte von jungen Obdachlosen kennt. So die Forderungen von über 120 Jugendlichen auf dem 1. Bundeskongress der Straßenkinder am Wochenende in Berlin.

 

In 11 Arbeitsgruppen haben junge Menschen aus ganz Deutschland zwei Tage lang über ihre Situation und ihre Zukunft diskutiert. Straßenkinder wollen am gesellschaftlichen Miteinander teilhaben und ihr Leben selbst gestalten. Sie wehren sich gegen Willkür von Behörden, Diskriminierung und Stigmatisierung durch Polizei und Passanten auf der Straße. Ihnen ist klar, dass sie mit ihren Erfahrungen wie häuslicher Gewalt, Missbrauch und Sucht besondere Bedürfnisse bei der Bewältigung ihrer Traumata benötigen, um ihren individuellen Platz im Leben zu finden. Hierfür haben sie zum Teil ungewöhnlich konkrete und konstruktive Vorschläge erarbeitet. Sie reichen von verpflichtenden Weiterbildungsmaßnahmen für Jugendamtsmitarbeiter und Lehrern, der Vereinfachung von Behördenformularen, der Einführung einer unabhängigen Beschwerdestelle bis hin zur Modifizierung des Jugendstrafsystems. 

Ein zweiter Bundeskongress der Straßenkinder wird 2015 folgen.

 

Stimmen der Jugendlichen während des Kongresses (Video-Link)

Eindrücke vom Straßenkinderkongress (Video-Link)

Auszüge aus dem seinerzeitigen Medienecho (Web-Link)

 

 

Forderungen der Arbeitsgruppen 

des 1. Bundeskongresses der Straßenkinder

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1. Forderungen der Arbeitsgruppe:  WIE ICH AUF DER STRASSE GELANDET BIN

 

  • Ansprechpartner
  • Vertrauenspersonen auch außerhalb der Familie
  • Infos in Schulen über Hilfsangebote
  • Nicht ständig wechselnde Ansprechpersonen (z.B. beim Jugendamt)
  • mehr Hilfe aus einer Hand
  • Anträge max. eine A4-Seite und verständlich
  • Für Sozialpädagogen und Therapeuten ist nicht die formale Ausbildung das Wichtige zum Helfen, sondern eigene schwierige Lebenserfahrungen, die einen Zugang zu Jugendlichen schaffen kann.
  • Das Geld für das Bildungspaket sollte nicht an die Eltern sondern direkt an die Kindergärten und Schulen ausgezahlt werden, damit dort sozial benachteiligte Schüler gefördert werden können.

 

2. Forderungen der Arbeitsgruppe: AUSBILDUNG UND ICH

 

Wir fordern ein freies Berufsfindungsjahr!  

  • > für Selbstreflexion und praktische Erfahrungen
  • Wir fordern während der Ausbildungszeit einen persönlichen und unabhängigen Vermittler zwischen den Auszubildenden und der Ausbildungsstätte!
  • Wir fordern genügend Geld für Auszubildende von einem Amt!
  • d.h. genügend Geld für Lebensunterhalt, Lernmaterial, Exkursionen etc.
  • >  keine extra Anträge/Ämterwechsel
  • Einträge im Führungszeugnis sind ein Ausbildungshindernis.
  • >  Wir fordern Wege zum Löschen von Einträgen im Führungszeugnis!

 

 

3. Forderungen der Arbeitsgruppe: JOBCENTER

 

Zum Verhalten der Mitarbeitenden:

 

Wir fordern, dass wir freundlich und tolerant behandelt werden. 

Wir fordern, dass die Mitarbeitger_innen alle zwei Jahre regelmäßig durch neutrale Unternehmen und Personen auf ihre Kompetenz, ihr Sozialverhalten und auf nicht-diskrimierendes Verhalten überprüft werden. 

Wir fordern, dass die Mitarbeitenden ins SGB eingearbeitet sind und sich regelmäßig in rechtlichen Dingen, aber auch in ihrem Sozialverhalten fortbilden. 

Wir fordern, dass es mehr Mitarbeitende im Jobcenter gibt, damit die Bearbeitungszeiten der Anträge nicht so lange dauern. 

Wir fordern, dass in Konfliktfällen Konfliktlöser in jedem JC vor Ort sind und direkt in Stresssituationen vermitteln können. 

 

Anträge und Bürokratie

 

Wir fordern, dass H4-Anträge nach Lebenslagen unterschieden werden und unterschiedliche Lebenslagen berücksichtigen, z.B. Anträge für Jugendliche, Wohnungslose, Alleinerziehende, Suchtkranke

Wir fordern, dass wir unaufgefordert, rechtsgültige Eingangsbestätigungen bei Abgabe von Dokumenten erhalten.

Wir fordern, dass die Anträge verständlich und übersichtlich sind, wenn wir sie nicht verstehen, weil sie in einer lebensfremden und bürokratischen Sprache formuliert sind, fordern wir Aufklärung und einen Mitarbeiter, der sie mit uns zusammen ausfüllt und sich Zeit nimmt, sie zu erklären. 

Wir fordern, dass die Lebensmittelgutscheine in Höhe von 15€ pro Tag ausgegeben werden und dass die Lebensmittelgutscheine in allen Läden einlösbar sind. 

Wir fordern, dass obdachlosen Menschen alle drei Monate ein zusätzlicher Gutschein über 100€ für Kleidung und Pflege ausgestellt wird. 

Wir fordern, dass es nicht nur Sanktionen gibt, sondern Kooperationsbereitschaft und abgeschlossene Bildungsmaßnahmen entlohnt/belohnt werden, ohne dass die zusätzlichen Mittel vom H4 abgezogen werden. 

 

Besondere Lebensumstände von Straßenkindern und Jugendlichen:

 

Wir fordern, dass bei Beratung und Durchführung von Maßnahmen Traumata, Obdachlosigkeit und Sucht berücksichtigt werden.

Wir fordern, zielgruppenspezifische Angebote und Einzelfallentscheidungen, sowohl im rechtlichen Rahmen als auch in der Praxis die  Bedürfnisse und besonderen Belange von uns zu berücksichtigen und die Rechtsrahmen zu erweitern. 

Wir fordern weniger Abzüge für arbeitende Schüler_innen und Minijobber und die Abschaffung der Arbeitspflicht für Abendschüler.

Wir fordern den Rechtsrahmen für Jugendliche insbesondere mit Blick auf frühe Bildungs- und Ausbildungsangebote zu verändern, bspw. Bildungsgutscheine, Start Kredite…

 

 

4. Forderungen der Arbeitsgruppe: GELDERWERB & GRUNDEINKOMMEN FÜR JUGENDLICHE DER STRASSE - NOTSCHLAFSTELLEN ODER WOHNRAUM? 

(Diese Arbeitsgruppe setzte sich aus polnischen und deutschen Straßenkindern zusammen)

 

  • Behindert uns nicht, so zu wohnen, wie wir das wollen!
  • Spart an Überwachung, nicht an Fürsorge!
  • Mehr Toleranz für Obdachlose aus dem Ausland!
  • Schluss mit Diskriminierung bei der Wohnungssuche
  • Ich will eine Anmeldung – unkompliziert!
  • Hört auf, uns wie Dreck zu behandeln! Versucht 2 Tage auf der Straße zu überleben! 
  • Sprachmittler für das Multi-Kulti Berlin – Wir brauchen Unterstützung bei den Sprachbarrieren!
  • Arbeit im Tausch gegen Sachmittel (Essen, Trinken, etc…) anstatt Geld!
  • Eingeplantes Geld oder Einkaufscheine für Obdachlose unkomplizierter auszahlen!
  • Kinder, die nicht zu Hause wohnen, sollten direkt ihr Kindergeld erhalten können!
  • Begleitung für sparsame Einkäufe um besser zu lernen mit Geld umzugehen!
  • Mehr Initiativen wie Cash-Work – Arbeit für Sofortgeld
  • Sprachkurs umsonst für Straßenkinder aus dem Ausland – Spracherlernung als Grundrecht

 

5. Forderungen der Arbeitsgruppe: RECHT GEBROCHEN UND BESTRAFT

 

  • kostenlose bzw. günstige Bahntickets und Monatstickets für den öffentlichen Nahverkehr für benachteiligte junge Menschen (uns). Die Bedürftigkeit soll von sozialen Einrichtungen geprüft werden
  • die Polizei soll uns gegenüber respektvoll sein und dem „Verbrechen“ entsprechend handeln, wenn z.B. ein 16-Jähriger mit einer kleinen Menge Cannabis angetroffen wird, muss er nicht fixiert und grob behandelt werden wie z.B. es bei einem Mörder angemessen wäre
  • es sollte eine unabhängige Beschwerdestelle geben, wo wir hingehen können, wo Beschwerden gegen Polizisten ernst genommen werden und eine entsprechende Bestrafung folgt
  • Empathie/Mitgefühl/Verständnis statt Mitleid
  • keine öffentliche Zur-Schau-Stellung
  • es soll mildere Strafen bei Kavaliersdelikten geben, wie z.B: Schwarzfahren, Lebensmittel stehlen
  • keine übertriebenen Mahngebühren, z.B.. nach dem Nichtbezahlen von Schwarzfahrergebühren
  • stattdessen:
  • faire Möglichkeiten, in Raten zu zahlen
  • Sozialstunden statt Knast
  • -Haftstrafen erst ab 1500Euro
  • es soll mehr Haftvermeidungsmöglichkeiten geben
  • kein Promibonus, z.B. Hoeneß
  • Verhältnismäßige Strafen
  • Cannabis entkriminalisieren (!)
  • Vorschlag: kontrollierte Abgabe mit „Weedkarte“, die auf den eigenen Namen registriert ist. Wenn man ohne Karte und gültigen Personalausweis erwischt wird, kann das nach wie vor illegal sein.
  • es muss bessere Möglichkeiten geben, an Wohnraum zu kommen, auch als Ex-Knacki oder mit Schufa-Eintrag
  • es braucht mehr Perspektiven für Ex-Knackis/Vorbestrafte
  • es braucht mehr Organisationen wie CVJM (Wohnheime)

 

6. Forderungen der Arbeitsgruppe:

ICH UND DIE EINRICHTUNGEN DER JUGENDHILFE

 

Wir fordern von der Politik:

 

  • Umdenken in Gesellschaft und Politik. Wir wollen als Zukunftsinvestition, nicht als Kostenfaktor gesehen werden.
  • langfristige Förderung der Einrichtungen (Geld, Raum und Zeit) für Stabilität in der Beziehung zwischen uns und den Erzieher_innen.
  • mehr Wertschätzung und bessere Bezahlung der Mitarbeiter_innen.
  • einen Perspektivwechsel: Politiker_innen in unsere Lage versetzen (Bsp.: Einrichtungen erleben, Rollenspiele).
  • ein Recht auf Hilfe: konkreter individueller Bedarf statt starrer Altersgrenzen.
  • Kontrollen von Einrichtungen und Mitarbeiter_innen.
  • > Kontrolle durch eine unabhängige Stelle (Kontrollkommission aus von uns anerkannten Praktiker_innen)
  • > Übernehmen von Arbeitskonzepten erfolgreich angenommener Einrichtungen
  • > Bereitschaft von Pädagog_innen und Einrichtungen Fehler einzugestehen
  • > Rückhalt für uns
  • > Anerkennung von uns als Expert_innen
  • Abschaffung geschlossener Einrichtungen
  • angst- und gewaltfreie Räume zu schaffen

 

Wir fordern von den Einrichtungen und Erzieher_innen:

 

  • Offenheit, Toleranz und Respekt (wir wollen nicht in Schubladen gesteckt werden)
  • familienähnlichere Betreuung: da sein, Verständnis, Interesse, Raum für das Machen von Fehlern, Spaß haben, Kind sein dürfen
  • Respekt vor jedem einzelnen von uns und unserer Biografien
  • passende Gruppenzusammensetzung zu ermöglichen (Wir-Gefühl statt Gruppendruck) 
  • mehr Verständnis unter den Jugendlichen zu schaffen (Raum zum Lösen von Konflikten: Zeit, Ort, personelle Unterstützung)
  • Freiraum für Erzieher_innen, individuelle Prozesse auf Augenhöhe mit uns aushandeln zu können:
  • > Akzeptanz und Anerkennung unserer Meinung
  • > eigene Entscheidungen treffen können
  • > Erzieher_innen kritisieren können
  • Vertrauensschutz für uns (auch bei Kontakten zu Polizei und Eltern)
  • Auswahlmöglichkeit für uns, eine_n Betreuer_in zu wählen

 

Wir fordern von der Ausbildung:

 

  • besser ausgebildete Erzieher_innen, die unsere Lebenssituation kennen und verstehen 
  • Lernmöglichkeiten für Berufseinsteiger_innen
  • mehr Praxis in der Ausbildung
  • den Umgang mit Unsicherheit und Überforderung besser einüben

 

7. Forderungen der Arbeitsgruppe: FUNDAMENTALE SYSTEMKRITIK

 

Wir fordern:

  • Optimale Schulungen in den Jugendämtern, Arbeitsämtern und anderen Anlaufstellen darüber, wie obdachlosen Jugendlichen geholfen werden kann und soll.
  • Unbürokratischer rechtlicher Beistand.
  • Aufklärung der Schüler in der Schule über ihre Rechte.

 

8. Forderungen der Arbeitsgruppe: SCHULE

 

Wir fordern:

  • Thematisierung von Suchterkrankung im Unterricht von Suchterkrankten.
  • Ruheraum oder flexible Schulzeiten, um zwischendurch schlafen zu können.
  • Individuelle Selbstbeschäftigung statt ein Thema für alle 
  • mehr Zeit und Betreuung in Lernprozessen
  • ein Infoboard in der Schule mit sozialen Angeboten im Sozialraum 
  • Gespräche mit Sozialpädagog_innen und Vertrauenslehrer_innen
  • ein Chillraum in der Schule zum Runterkommen
  • Orte in Schule ohne Leistungsdruck
  • Beratungsangebote und Unterstützung, um die eigenen Stärken zu fördern
  • Motivationschoach in Schule 
  • Unterstützung der Schulpsychologie nach Bedarf
  • Sozialarbeiter_innen arbeiten in Klassen zu Akzeptanz von psychischen Erkrankungen
  • spezielle Fortbildungen für alle pädagogischen Fachkräfte zu psychischen Erkrankungen und Umgang mit Mobbing

 

Den Leistungsdruck senken!

 

9. Forderungen der Arbeitsgruppe: WIR IN DEN MEDIEN

 

  • Pressearbeit auf Augenhöhe
  • Realitätsnahe Berichterstattung
  • MEHR positive Aufmerksamkeit
  • WÜRDEVOLLE Berichterstattung unter Beachtung der Menschenrechte
  • Hintergründe hinterfragen (Warum sind wir Straßenkinder)
  • Mitspracherecht (Wir bestimmen was gesendet/ veröffentlich wird)
  • Medienaufmerksamkeit durch Mithilfe von Politiker/innen, Musiker/innen, Promis
  • teilnehmende Berichterstattung ! nicht nur Drama, auch Alltag
  • Prime Time Sendeplätze für Berichte und Titelstories

 „Mittendrin statt nur dabei!“

 

 

Analysen der Arbeitsgruppen: 

Wie ist es zu unserem Leben auf der Straße kommen....

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1. Aus der Arbeitsgruppe:  WIE ICH AUF DER STRASSE GELANDET BIN

 

Ursachen für den Abbruch von ‚Normalen Kinderbiographien‘:

 

Eltern: überfordert durch zu viele Kinder, eigene Drogenabhängigkeit und psychische Probleme. Häufig Scheidungsfamilien, Probleme mit neuen Partnern (‚Stiefvater‘), Gewalt, fehlende Anerkennung, Ignoriert werden und Missbrauch in der Familie.

Eigene Probleme: falsche Freude, Flucht in Drogen

Schule: Ausgrenzung und Mobbing aufgrund von Armut und Anderssein - fehlende Sozialarbeiter an den Schulen

Jugendamt: hört Kindern nicht richtig zu, glaubt den Eltern. Probleme werden psychologisiert statt praktische Hilfen gegeben. - aber es gibt auch gute Erfahrungen

Fehlende Hilfsangebote auf dem Lande

 

2. Aus der Arbeitsgruppe: AUSBILDUNG UND ICH

 

Die Jugendlichen stellten fest, dass es unterschiedliche Probleme auf dem Weg vom Schulabschluss bis hin zum erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung gibt. Vielen Jugendlichen auf der Straße ist die Bedeutung der Berufsausbildung nicht klar. Andere Jugendliche, die eine Ausbildung beginnen wollen, werden auf dem Weg dahin nicht genügend gefördert. Voraussetzung für den erfolgreichen Beginn einer Ausbildung sind stabile Lebensverhältnisse. Wenn man auf der Straße lebt, müssen Grundbedürfnisse, wie Essen, Trinken und Schlafen befriedigt werden und man hat kaum die Möglichkeit nebenbei eine Berufsausbildung zu absolvieren. Sind die Voraussetzungen sichergestellt und ein Schulabschluss geschafft, ist es für viele Jugendliche sehr schwierig, die für sie richtige Berufsausbildung zu finden. Oft fehlt es an Beratung und Unterstützung durch das Elternhaus oder wenn kein Elternhaus vorhanden ist, durch eine soziale Einrichtung. Ein anderes Problem ist, dass es nicht genügend gesetzlich anerkannte Ausbildungsplätze in den Richtungen gibt, für die sich die Jugendlichen interessieren, wie zum Bsp. Tätowierer.

Um erfolgreich in die Berufsausbildung zu starten, fordern die Jugendlichen ein freies Berufsfindungsjahr. Anders als beim Berufsvorbereitungsjahr soll es hier möglich sein, eigene Stärken, Schwächen und Wünsche zu reflektieren: Was will ich? Was kann ich? Welche Interessen habe ich? Welchen Weg möchte ich gehen? Außerdem soll in diesem Jahr ein Überblick vermittelt werden, welche Berufe es gibt und erste praktische Erfahrungen in verschiedenen Berufsrichtungen gesammelt werden.

In der Kommunikation zwischen Ausbildungsstätte und den Auszubildenden gibt es aufgrund von Vorurteilen, mangelnder Motivation und starken Leistungsdruck oft große Probleme und hohe Abbruchraten. Um diese zu minimieren, fordern die Jugendlichen während der Ausbildungszeit einen persönlichen und unabhängigen Vermittler zwischen den Auszubildenden und der Ausbildungsstätte – das kann z.B. ein Sozialarbeiter oder auch ein Coach sein.

Jugendliche mit schwierigen finanziellen Verhältnissen während der Ausbildung verbringen viel Zeit mit der Beantragung von Geld für ihren Lebensunterhalt, Lernmaterial, Exkursionen und ähnlichem. Insbesondere bei Problemen mit Ämtern verlieren sie viel Zeit, die ihnen zum Lernen fehlt. Darum fordern sie genügend Geld von einem Amt, ohne dass sie auch für nur kleine Geldbeträge immer wieder neue Anträge an den verschiedensten Ämtern stellen müssen.

Ein Eintrag im Führungszeugnis kann ein Ausbildungshindernis sein. Es gibt Jugendliche, die aufgrund von Einträgen keine sozialen Ausbildungen beginnen können. Darum fordern die Jugendlichen, dass es Wege geben muss, die zum Löschen von Einträgen im Führungszeugnis führen. Wie zum Beispiel die Durchführung einer Therapie mit der Begleitung eines Gerichtsbetreuers. 

 

 

3. Aus der Arbeitsgruppe: JOBCENTER

 

Die Lebenssituation der  Jugendlichen, ihre Traumata,  Suchtproblematik spiegelt sich nicht in den formalen Verfahren, dem Rechtsrahmen und der Praxis des Jobcenters.

In den Anträgen sind Begriffe, Definitionen und Bedingungen enthalten, die die Jugendlichen nicht verstehen oder einhalten können.

Die ausgegebenen Lebensmittelgutscheine decken die Kosten von Jugendlichen und ihrer Tiere nicht ab. Es ist sehr schwierig sie einzulösen, wenn sie nicht in allen Läden angenommen werden.

Die Mitarbeiter_innen der JC verhalten sich oft abwertend und diskriminierend, beschimpfen und beleidigen die Jugendlichen und behandeln sie nicht wie andere Erwachsene.

Bildungsangebote und sogar reale Arbeitsplatzangebote konnten von den Jugendlichen nicht wahrgenommen werden, da der Rechtsrahmen und der Haushaltsrahmen nicht berücksichtigt, dass die Jugendlichen nicht schon mehrere Jahre im H4 Bezug sind (Bildungsgutscheine) oder notwendige Vorkosten. Beispiel Ausbildungsangebot als LKW-Fahrer, aber die Kosten für einen Führerschein wurden nicht finanziert, die Ausbildungsstelle konnte nicht angetreten werden, neue Sanktionen. 

Bei Konflikten werden die Sichtweisen der Jugendlichen weder gehört noch berücksichtigt, es gibt keine dauerhaften und direkten Interventionsmöglichkeiten oder Vermittlungsmöglichkeiten für die Jugendlichen. 

Die Bewilligungs- und Auszahlungsverfahren dauern zu lange, so dass die Jugendliche oft monatelang ohne Einkommen klarkommen müssen. 

 

 

4. Aus der Arbeitsgruppe: GELDERWERB & GRUNDEINKOMMEN FÜR JUGENDLICHE DER STRASSE - NOTSCHLAFSTELLEN ODER WOHNRAUM? 

 

(Diese Arbeitsgruppe setzte sich aus polnischen und deutschen Straßenkindern zusammen)

Geld ist nicht alles. Geld ist nur ein Tauschmittel. Doch wenn ich nichts zum Tauschen habe? Welche Ideen wir haben, um uns Geld zu verdienen… 

 

Beide Gruppen haben sich verbunden, da:

die Polen in Berlin nicht zweisprachig sind und eine Übersetzung in Muttersprache notwendig war,

2 Moderatoren für die Zweisprachigkeit gleichzeitig als Übersetzer und Moderator tätig waren,

bei der Größe der Gruppe es besser war sich zu vereinen

 

Durch die Übersetzung und die doppelte Themen bestand weniger Zeit, aber durch intensive Arbeit in 2 gemischtsprachigen Kleingruppen haben sich die Jugendlichen über folgende Punkte austauschen können:

 

sie haben sich kennengelernt, woher komme ich, wer bin und was sind für mich die wichtigsten Themen

Wie will ich leben? Vom Camper, besetzten Wohnhäusern und Wohnprojekten über den Platz für den Wohnwagen bis zur WG – Wünsche, wie sich die Jugendliche ihren Wohnraum vorstellen

Austausch der Jugendlichen über die Lebenslagen und ihre Probleme in Kleingruppen zum Thema Wohnen und danach zum Thema Gelderwerb & Grundeinkommen

Als Zusammenhang haben die Jugendlichen Forderungen aufgestellt

 

5. Aus der Arbeitsgruppe: RECHT GEBROCHEN UND BESTRAFT

 

Ist-Zustand/Analyse

beim  Fahren ohne Fahrschein erwischt zu werden führt zu einer Strafe. Kann diese nicht bezahlt werden, folgen Mahngebühren. Nach weiteren Maßnahmen folgen nicht selten auch Gefängnisaufenthalte.

 

Die Polizei und wir

oft herrschen Vorurteile/junge Menschen werden nach ihrem Äußeren beurteilt

oft wird durch Polizisten provoziert (Zitat: „Irgendeinen Button finden die immer“ (Auslösereiz)

Gewalt von Seiten der Polizei, z.B. grobes Fesseln mit Kabelbindern, Tritte, sehr grober Umgang mit den jungen Menschen

durch Polizeigewalt entstehen auch psychische Folgeschäden.

 

Die Haltung der Allgemeinheit:

es gibt viele Vorurteile/unangemessenes Verhalten gegenüber Obdachlosen (Jugendlichen), z.B. wurde berichtet, dass außen Schlafende von feiernden Teenagern gestört und bedrängt, deren „angegessene Pommes/Burger“ zu essen. Ein solche Verhalten ist nicht nur respektlos, sondern auch demütigend.

 

Gefängnis:

Freiheitsstrafen wegen Kavaliersdelikten sind keine Seltenheit, z.B. wegen Mundraubs

 

Verhältnismäßigkeit von Strafen:

Zitat: „Es kann nicht sein, dass Vergewaltiger davon kommen und wir wegen Grasbesitz oder Schwarzfahren in den Knast wandern.“

Cannabis:

viele Verfahren sind auf Cannabisbesitz/-konsum etc. zurückzuführen

 

Unterstützung:

es mangelt oft an (guter) Unterstützung

 

6. Aus der Arbeitsgruppe: ICH UND DIE EINRICHTUNGEN DER JUGENDHILFE

 

Negative Erfahrungen in Jugendhilfeeinrichtungen:

 

plötzliches Ende der Betreuung in einer Einrichtung durch das Jugendamt

keine Finanzierung, daher Verlust des Betreuers

geschlossene Einrichtung: 

> körperliche Gewalt

eingesperrt sein

Verstöße gegen Menschenrechte

fehlende ärztliche Versorgung

tragen von Uniformen

für alles um Erlaubnis bitten müssen (z.B. Klo-Gang)

alles abgeben („Du hast nichts was Dich ausmacht!“)

zu volle Einrichtungen (ungünstige Gruppendynamik)

> schlechte Stimmung

> Gefährdung, Drogen, Klauen, Prügel, Beleidigung, Stress und Ärger

> kein Respekt untereinander und zu den Betreuern

> „Macht kaputt – man zieht mit!“

> keine Unterstützung bei Konflikten untereinander

> kein Kümmern und keine Verbindlichkeit

> viele Jugendliche mit hohem Bedarf

von einem Heim ins andere

falsche Freunde

„Keine Stimme haben“ - „Meine Stimme hat kein Gewicht“

„Mir wurde viel kaputt gemacht!“

„Mir wurden viele Chancen genommen!“

Machtlosigkeit

 

Positive Erfahrungen in Jugendhilfeeinrichtungen:

 

wichtig sind Wertschätzung, Verständnis und Respekt, konkrete Hilfen wie Fahrkarten, Essen, Trinken etc., stabile, langfristige Kontakte, die nicht mit Erreichen eines bestimmten Alters enden, sondern sich nach unserem  Bedarf richten

Begleitung und Unterstützung bei Ämtern, Terminen, Kliniken …

schnelle Hilfe, jederzeit

Gefühl von Sicherheit

Vertrauen, über alles reden können

keine ungewollte Zusammenarbeit mit Polizei, Eltern …

„Gefühl, die sind für uns da, über das ‚Muss‘ hinaus“

Grenzen gesetzt bekommen

Raum und Zeit für jede_n Einzelne_n (die Fragen stehen im Mittelpunkt: Wie lebe ich? Was brauche ich? Wie geht es mir? Was möchte ich?)

 

7. Aus der Arbeitsgruppe: FUNDAMENTALE SYSTEMKRITIK

Die Jugendlichen berichteten:

Die Ansprüche die das System an sich und seine Rechtsprechung stellt, können oft durch die Akteure nicht erfüllt werden. Die Ansprüche sind hoch. Doch wen interessiert das? Der Alltag spielt sich eben unten ab. Äusserlich sind wir das gute barmherzige christliche Abendland. In der Realität haben wir oft genug Dienst nach Vorschrift die keiner kennt. Wir konnten feststellen: Jedes System ist nur so gut wie wir es machen. Auch wenn auf unserem Plakat jetzt „Fuck the System“ steht.

 

8. Aus der Arbeitsgruppe: 

SCHULE UND ICH - WER NICHT MITKOMMT,  WIRD RAUSGEKANTET

Die Jugendlichen berichteten von folgenden Problemen in der Schule:

Wir sind in Schule mit Gewalt, Drogen, Mobbing, Konflikten, körperlichen Beeinträchtigungen wie LRS, Lispeln, Stottern und Legasthenie, sowie psychischen Erkrankungen wie Suchterkrankungen, Depression und Borderline konfrontiert. Diese Probleme hindern uns daran, uns am Unterricht zu beteiligen und Lernergebnisse zu erzielen, eine erfolgreiche Schulbildung ermöglichen. Mit diesen Problemen sind wir in der Regel alleine gelassen, da es keine oder unzureichende Unterstützung seitens der Schule gibt. Die Folgen sind Gefühle wie Wut, Hass, Trauer, die zu Rückzug aus Schule und Depression führen und einer Verschlechterung psychischer Erkrankungen führen. 

Beispiel Borderline:

Borderline führt zu Mobbing von Mitschüler_innen und Unverständnis seitens der pädagogischer Fachkräfte. Die Folge sind selbstverletzendes Verhalten, sich selbst einschließen und Schlaflosigkeit. 

Beispiel Gefühle:

Wir haben Angst vor Menschen und nicht kontrollierbaren Situationen, Leistungsdruck dem wir nicht gewachsen sind durch permamentes Scheitern in einer ausschließliche leistungsorientierten Schule. 

Beispiel Suchterkrankung:

Unser Suchterkrankung für zu Gleichgültigkeit gegenüber Schule, permanente Müdigkeit und Konzentrationsproblemen. Statt Unterstützung bekommen wir Strafen und schlechte Noten, die wiederum die Suchterkrankung verstärkt. 

 

9. Aus der Arbeitsgruppe: WIR IN DEN MEDIEN

 

Falsche Darstellung der Lebensstile, des Erscheinungsbildes (Kleidung bewusste zerrissen, ungepflegt, dreckig etc.), kriminelles, asoziales Verhalten als Normalbild von Straßenkindern; die Lebenssituationen werden unrealistisch dargestellt (neuestes Smartphone und Fernseher in jedem Zimmer einer Hartz IV Familie, etc.)

Falsche Darstellung erfolgt oberflächlich

Klischees, wie: übermäßiger Drogenkonsum (alle auf der Straße nehmen Drogen), freiwillig auf der Straße leben, Aggressivität, Gewalt, Faulheit und unhygienische Lebensweise (stinken), werden überdurchschnittlich häufig dargestellt und somit als Bild in die Gesellschaft reproduziert

Hintergrund der Straßenkinder wird nicht erfragt/ hinterfragt

Lebenssituationen/ Lebensumstände werden durch den Dreck gezogen

Straßenkinder bekommen zu wenig Aufmerksamkeit in den Medien

Wenige und falsche Darstellung führt zu Ablehnung durch die Gesellschaft und somit zu wenig Unterstützung von Institutionen/ Vereinen etc.

Wenige Darstellung erfolgt unter Zuhilfenahme der Klischees

 

 

Absender und Kontakt: Jörg Richert |  KARUNA Zukunft für Kinder und Jugendliche in Not International e.V.

0177 22 18 432, karunaberlin@t-online.de

Die Protokolle der ersten beiden Arbeitstrefffen zur Vorbereitung der Konferenz gibt hier zum download...